Visma investiert in Accountable mit Plänen zur vollständigen Übernahme
Ein weiteres unabhängiges Buchhaltungs- und Steuersoftwareunternehmen in Europa wird geschluckt: In einer LinkedIn-Medienoffensive, einem Handelsblatt-Bericht und einer Pressemitteilung von Visma wurde bekannt gegeben, dass die belgische und deutsche Buchhaltungs- und Steuersoftware für Selbstständige, Accountable, eine Investition des norwegischen Konzerns Visma erhält, die das belgische Unternehmen angeblich mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag bewertet.
Ein Teil der nicht genannten Investition wird an die bestehenden VC-Investoren, die Gründer und die derzeitigen Mitarbeiter ausgezahlt. Eine vollständige Übernahme von Accountable durch Visma ist Berichten zufolge zu einem späteren Zeitpunkt geplant.
Visma, ein großer Player
Visma ist ein privat geführtes norwegisches Unternehmen, das in Europa und Lateinamerika tätig ist und Software für Buchhaltung, Lohnabrechnung, Rechnungsstellung und Personalwesen anbietet. Visma gehört mehrheitlich dem in London ansässigen Hg und wird durch Private Equity finanziert. In seiner jetzigen Form besteht das Unternehmen seit 1996. Im Jahr 2024 erzielte es einen Umsatz von 2,8 Milliarden Euro und ein EBITDA von mehr als 890 Millionen Euro.
Aber Sie sollten schon von Visma gehört haben, da das Unternehmen ständig weltweit Unternehmen aufkauft und in sie investiert: Kürzlich wurde das österreichische Unternehmen Finmatics, ein Anbieter von Vorbuchhaltungssoftware mit über 1.200 Geschäftskunden in Österreich und Deutschland, übernommen, wodurch das europäische Buchhaltungsangebot von Visma gestärkt wurde.
Noch interessanter ist eine deutsche Akquisition, die bereits zwei Jahre zurückliegt. Anfang 2023 übernahm Visma die Buchhaltungssoftware BuchhaltungsButler. Damals war dies die erste Akquisition in Deutschland.
Accountable, neu und agil
Accountable wurde 2019 gegründet und ist eine weit verbreitete Software für Selbstständige in Belgien, die auch langsam aber sicher erfolgreich in den deutschen Markt eintritt.
Accountable konzentriert sich auf Selbstständige in Deutschland und bietet über seine Partnerschaft mit Swan ein Bankkonto an. Damit ist Accountable nun im Grunde ein Ersatz für unzufriedene Nutzer von Kontist by Ageras. Ja, Kontist bietet durch die Partnerschaft mit Swans deutschem Konkurrenten Solaris SE nach wie vor solides Business Banking, aber die Buchhaltungs- und Steuersoftware könnte im direkten Vergleich etwas frischen Wind vertragen.
Neben dem Banking hat das Team von Accountable in den letzten Jahren immer wieder innovative Lösungen auf den Markt gebracht. Sie punkten mit ihrem (Steuer-)Support und Features wie Steuer-Buckets, einem Steuerrechner, einer „Steuergarantie“ und einem 24/7 KI Steuerberater.
Was halten wir also von all dem?
Der unmittelbare Vergleich zu dieser Investition von Visma ist die Übernahme des deutschen Unternehmens Kontist durch die dänische Ageras Gruppe im Jahr 2022: derselbe Markt, ein nordischer Konzern und das Versprechen, alles unverändert zu lassen.
Während Ageras alles unter einem technischen und visuellen Dach vereinen will, scheint Visma mit den übernommenen Softwareunternehmen eher zufrieden zu sein, lässt die bestehenden Marken unverändert und unterstützt weiterhin ihre ursprünglichen Visionen.
Was die Strategie von Visma angeht, ist die Vergangenheit jedoch nicht immer ein guter Indikator für die Zukunft: Zwei sich ergänzende Buchhaltungs- und Steuersoftware-Tools im Portfolio könnten angenehme Synergien schaffen, da Accountable ein neu eingeführtes Bankprodukt und eine benutzerfreundliche Oberfläche für kleine Unternehmen bietet und BuchhaltungsButler über eine doppelte Buchhaltungslösung verfügt, die auch komplexere Fälle wie deutsche GmbHs abdeckt.
Unterdessen taucht im Hintergrund der dritte ausländische Konkurrent, das französische Unternehmen Cegid, auf, das im März sevdesk für einen dreistelligen Millionenbetrag übernommen hat.
Mit Ageras (Kontist) und Cegid (sevdesk) als direkten Konkurrenten und den deutschen Lösungen von Lexware, Pennylane (in Kürze) und Qonto scheint die aktuelle Stimmung in diesem Softwaremarkt darauf ausgerichtet zu sein, eine umfassende Softwarelösung für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland (und darüber hinaus) anzubieten. Das bedeutet, dass ein Bankkonto, Buchhaltung, die Möglichkeit, geschäftliche und private Steuererklärungen direkt aus der Software heraus zu versenden, Kreditmöglichkeiten und (E-)Rechnungsstellung angeboten werden müssen. Hinzu kommt im Idealfall auch noch der direkte Zugang zu einem Steuerberatungsservice.
Es ist nicht alles schwarz und weiß
Die Kombination dieser beiden Übernahmen (BuchhaltungsButler und Accountable) durch Visma könnte der aktuellen Stimmung entgegenkommen und gleichzeitig eine gute Ausgangsposition bieten, um Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem kombinierten Buchhaltungs- und Steuerprodukt zu unterstützen. Andererseits heißt es, dass Accountable ein unabhängiges Unternehmen bleibt, dessen Gründer im Unternehmen verbleiben und derzeit über 26.000 Kunden betreuen.
Letztendlich scheint es naheliegend, voll auf eine deutsche All-in-One-Lösung für Buchhaltung und Steuern für kleine und mittlere Unternehmen zu setzen, um mit allen anderen Anbietern mithalten zu können. In einem komplexen Markt wie Deutschland könnte es jedoch auch ratsam sein, sich etwas zurückzuhalten und die potenziellen Vorteile langsamer zu realisieren.
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