Instrument zur Reifegradbestimmung

Praxisnahes Bewertungssystem für die digitale und grüne Transformation (Teil 1)

Hand hält Glühbirne, darüber grüne Symbole für Umwelt und Digitalisierung. Bild: @juststock, Getty Images via canva.com

Ein Beitrag von Prof. (FH) Dr. Dr. Mario Situm, MBA, Lea Carnuth, M. A., und Selina-Maria Schiller, M. Sc.

Digitalisierung und grüne Transformation sind zwei wesentliche Trends, die den zukünftigen Fortbestand von Unternehmen in sämtlichen Teilbereichen der unternehmerischen Wertkette beeinflussen werden. Aus diesem Grund ist es für Unternehmer unabdingbar, die eigene Reife der digitalen und grünen Transformation zu bestimmen und daraus passende Ausgestaltungsmaßnahmen abzuleiten. Die Basis stellt dabei der Status quo hinsichtlich grüner und nachhaltiger Initiativen dar. Im Rahmen dieses Beitrags wird ein aus einem EU-Projekt entwickeltes und validiertes Bewertungssystem vorgestellt. Dieses können Ihre Mandanten in der betrieblichen Praxis einsetzen, um die digitale und grüne Transformation zu fördern.

KERNAUSSAGEN

👉 Integration von Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Digitalisierung und grüne Transformation sind entscheidende Trends, die Unternehmen in alle Bereiche ihrer Wertschöpfungskette integrieren müssen, um langfristig erfolgreich zu sein.

👉 Herausforderungen bei KMU: Trotz der Bedeutung der digitalen und grünen Transformation haben viele KMU Schwierigkeiten, diese umzusetzen; dies wird deutlich durch fehlende Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsstrategien.

👉 Praxisnahes Bewertungssystem: Ein Bewertungstool unterstützt Unternehmen, den Stand ihrer digitalen und grünen Transformation zu bewerten und gezielte Maßnahmen zur Optimierung abzuleiten.

👉 Vorteile der Transformation: Die systematische Integration digitaler Technologien und nachhaltiger Praktiken steigert Effizienz, Marktposition und Innovationsfähigkeit von Unternehmen und hilft, regulatorische Anforderungen zu erfüllen.

I. Digitale und grüne Transformation als neue Treiber des Unternehmenserfolgs

Das Konzept der unternehmerischen Wertkette ist eines der besten Instrumente in der Praxis, um eine interne Unternehmensanalyse durchzuführen:

  • Zum einen stellt die Wertkette einfach und verständlich dar, wie unterschiedliche Aktivitäten zusammenwirken müssen, um schlussendlich eine Gewinnmarge zu erzielen.
  • Zum anderen haben die Aktivitäten einen Bezug zur Gewinn- und Verlustrechnung, sodass Unternehmer mit gezielten Maßnahmen Optimierungen einleiten können.

In die klassische Version der Wertkette lassen sich die Aspekte der Digitalisierung und Nachhaltigkeit implizit in einzelnen Aktivitäten integrieren. Übersicht 1 zeigt eine solche erweiterte Wertkette mit beispielhaften Aktivitäten der Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Zwar ist sie keine vollständige Darstellung aller aktuell möglich einsetzbaren digitalen Technologien und nachhaltigen Aktivitäten in der Wertkette; jedoch wird deutlich erkennbar, dass beides zur Verbesserung und Optimierung einzelner Aktivitäten eingesetzt werden kann.

Auch wenn die Begriffe „Digitalisierung“ bzw. „Digitale Transformation“ und „Grüne Transformation“ bereits seit vielen Jahren in den Medien behandelt werden, ist der Grad der Umsetzung – insbesondere bei KMU – als relativ niedrig einzustufen. In Deutschland hat sich die Digitalisierung im Jahr 2022 nicht wesentlich weiterentwickelt, wie ein Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (Demary, IW-Report 52/2023) offenlegt. Trotz des wachsenden Bedarfs an digitaler Modernisierung wurden nur minimale Fortschritte verzeichnet. Die Studie hebt hervor, dass größere Unternehmen und urbane Regionen digitale Neuerungen schneller adaptieren, während kleinere Betriebe und ländliche Gebiete hinterherhinken.

Diese Ergebnisse werden durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bestätigt. Ausgehend von den Ergebnissen der Studie zur Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland im Jahr 2023 (abgerufen am 12.3.2025) verzeichnete Deutschland weiterhin keine wesentlichen Fortschritte bei der Digitalisierung der 
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Wirtschaft. Der Digitalisierungsindex zeigt eine Stagnation auf, die als Seitwärtsbewegung charakterisiert wird. Dies deutet darauf hin, dass trotz verschiedener Bemühungen und Initiativen keine signifikanten Verbesserungen im Bereich der digitalen Transformation erreicht wurden. Bei etwa vier Fünftel der Unternehmen in der deutschen Wirtschaft ist die digitale Transformation schwach ausgeprägt, sodass sich noch viele Unternehmen am Anfang der Umsetzung befinden.

Ein ähnliches Bild ist auch bei der grünen Transformation gegeben. Die grüne Transformation stellt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor Herausforderungen, wie PwC in einem Bericht feststellt (abgerufen am 12.3.2025). Viele der untersuchten Unternehmen haben noch keine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie und sind auf Einzelinitiativen angewiesen. Der Bericht betont die Notwendigkeit für Mittelständler, ihre Geschäftsmodelle auf Nachhaltigkeit auszurichten, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und den zunehmenden regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Ausgehend vom Handelsblatt (abgerufen am 12.3.2025) ist die grüne Transformation für den deutschen Mittelstand dringend, da nahezu alle KMU keine klare Reduktionsstrategie für Treibhausgase haben. Nur 11 % der KMU in Europa haben effektive Umsetzungspläne, obwohl 80 % den Klimaschutz als wichtig erachten. Dabei ist die grüne Transformation für Mittelständler von hoher Relevanz, um zukunftssicher und wettbewerbsfähig zu bleiben, insbesondere da künftig strengere EU-Regulierungen erwartet werden.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, Unternehmern und Beratern ein praxisnahes Bewertungsinstrument, basierend auf der unternehmerischen Wertkette, an die Hand zu geben. Mithilfe einiger weniger Fragen erhält man dadurch einen ersten Eindruck über den Status bzw. die Reife der eigenen digitalen und grünen Transformation. Das Tool ist speziell auf die Analyse und Förderung von digitalen und nachhaltigen Initiativen ausgerichtet und wurde im Rahmen eines EU-Projekts entwickelt und validiert.

HINWEIS

Weitere Informationen zum INTERREG Central Europe Projekt „GREENE 4.0“ sind der Website der FH Kufstein Tirol zu finden. Zudem stehen die Autoren dieses Beitrags für weitere Informationen zur Verfügung.

→ ZUR WEBSEITE

Durch die systematische Bewertung anhand der verschiedenen Unternehmensbereiche im Verlauf der Wertschöpfung können Unternehmen gezielte Maßnahmen ableiten, um Prozesse effizienter, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Indem Unternehmen den Reifegrad ihrer Transformation ermitteln, können sie spezifische Handlungsfelder identifizieren und entsprechende Strategien entwickeln. Dies trägt nicht nur zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen bei, sondern stärkt auch die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherheit der Unternehmen in einem dynamischen Marktumfeld.

II Grundlegender Überblick zu digitaler und grüner Transformation
1. Definitorische Abgrenzungen zu digitaler und grüner Transformation

In der heutigen Zeit sind die digitale und grüne Transformation Schlüsselkomponenten für nachhaltiges Wachstum und Zukunftssicherung in Unternehmen. Die digitale Transformation bezieht sich auf die Integration digitaler Technologien in alle Geschäftsbereiche, was eine grundlegende Veränderung der Art und Weise, wie Unternehmen operieren und Wert schaffen, mit sich bringt. Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Big Data, Internet der Dinge (IoT), Cloud-Computing und automatisierte Robotik sind oft zentrale Elemente dieser Transformation.

Die grüne Transformation hingegen fokussiert sich auf die Überführung von Unternehmensprozessen und -modellen zu nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Praktiken. Dies beinhaltet bspw. die Reduzierung des CO 2-Ausstoßes durch Steigerung der Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Wind- und Solarenergie. Des Weiteren umfasst sie Initiativen wie das Recycling von Materialien, nachhaltige Lieferketten und die Entwicklung von Produkten mit geringerem Umwelteinfluss. Beide Transformationen fordern nicht nur technologische Anpassungen, sondern auch ein Umdenken in Unternehmenskulturen und bei den Stakeholdern.

2. Voraussetzungen und Vorteile der digitalen und grünen Transformation für Unternehmen

Die digitale und grüne Transformation in Unternehmen ist ein komplexer Prozess, der eine tiefgreifende Veränderung sowohl in der Technologie als auch in der Unternehmenskultur erfordert. Sie ist entscheidend für Betriebe, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Folgenden werden die Schlüsselvoraussetzungen aufgeführt, die Unternehmen schaffen müssen, um diese tiefgreifenden Veränderungen effektiv zu realisieren.

  1. Führungsverantwortung: Die Unternehmensführung muss die Transformationen nicht nur unterstützen, sondern aktiv vorantreiben und als Teil der Unternehmensvision verankern.

  2. Integration in die Wertkette: Die digitalen und grünen Transformationen sollten systematisch in die Wertkette integriert werden. Dies beinhaltet die Anpassung von Produktionsprozessen, Marketingstrategien und anderen Schlüsselaktivitäten.

  3. Technologische und umwelttechnische Infrastruktur: Investitionen in moderne Technologien sowie in nachhaltige Anlagen und Prozesse sind entscheidend, um sowohl digitale als auch umweltbezogene Ziele zu erreichen.

  4. Mitarbeiterengagement und -schulung: Die Mitarbeiter müssen nicht nur im Umgang mit neuen Technologien geschult werden, sondern auch ein Bewusstsein für nachhaltige Praktiken entwickeln.

  5. Stakeholder-Kooperation: Eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten, Kunden und Regulierungsbehörden ist unerlässlich, um die Effektivität der Transformationsbemühungen zu maximieren.

In der heutigen dynamischen Geschäftswelt sind digitale und grüne Transformationen nicht nur Trends, sondern essenzielle Strategien für zukunftsorientierte Unternehmen. Die Einführung dieser Technologien und Praktiken bietet vielfältige Vorteile, die von gesteigerter Effizienz über verbesserte Marktpositionierung bis hin zu erhöhter Wettbewerbsfähigkeit reichen. In Übersicht 2 werden einige der Vorteile in Kategorien dargestellt, um Unternehmen zu inspirieren und aufzuzeigen, wie sie durch die Implementierung nachhaltiger und digitaler Lösungen ihre Ziele erreichen und gleichzeitig positive gesellschaftliche und ökologische Einflüsse generieren können.

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Dies ist Teil 1 des Beitrages aus der NWB-BB Nr. 4/2025  Seite 125 - Teil 2 folgt hier in Kürze.

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