Quo vadis elektronisches Kassenbuch?
Ein Beitrag von Tobias Teutemacher
Seit dem 1.1.2025 ist das ELSTER-Portal zur Erfüllung der gesetzlichen Mitteilungspflicht für elektronische Aufzeichnungssysteme (§ 146a Abs. 4 AO) freigeschaltet. Bei der Prüfung, welche mitteilungspflichtigen elektronischen Aufzeichnungssysteme zu melden sind, kommt immer häufiger die folgende Frage auf: Sind elektronische Kassenbücher auch elektronische Aufzeichnungssysteme i. S. des § 146a AO? In diesem Fall wären sie mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung auszustatten und würden der Belegausgabepflicht sowie der Mitteilungspflicht unterliegen. Dieser Beitrag versucht, einen Lösungsansatz anhand der Gesetze und Verwaltungsvorschriften zu bieten.
KERNAUSSAGEN
👉 Elektronische Kassenbücher sind grundsätzlich Datenverarbeitungssysteme im Sinne der GoBD.
👉 Sie sind auch elektronische Aufzeichnungssysteme nach der Definition der Finanzbehörden.
👉 Elektronische Kassenbücher sind aber nicht für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen und deren Abrechnung spezialisierte elektronische Aufzeichnungssysteme.
I. Was sagt das Gesetz heute?
Schaut man sich die Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen (§ 146 AO) sowie für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme (§ 146a AO) einmal genauer an, so stellt man fest, dass das Gesetz keine Legaldefinition des Begriffs „elektronisches Aufzeichnungssystem“ beinhaltet. Auch § 1 Abs. 1 Satz 1 KassenSichV enthält keine Definition, sondern nur den Hinweis, dass elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen elektronische Aufzeichnungssysteme i. S. des § 146a AO sind.
Als erste der vorgenannten Vorschriften verwendet § 146 Abs. 1 Satz 4 AO den Begriff „elektronisches Aufzeichnungssystem“. Hier im Zusammenhang mit der Ausnahmeregelung in Bezug auf die gesetzliche Einzelaufzeichnungspflicht (§ 146 Abs. 1 Satz 3 AO). Steuerpflichtige, die ein elektronisches Aufzeichnungssystem i. S. des § 146a AO verwenden, können für sich die Ausnahmeregelung nicht beanspruchen. Aber was ist ein „elektronisches Aufzeichnungssystem“?
II. Der Versuch einer Definition
Die steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben sich zum einen aus der Abgabenordnung (§§ 90 Abs. 3, 141 bis 146a AO) und zum anderen aus den Einzelsteuergesetzen (§§ 14, 22 UStG; §§ 4 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4a Satz 6, 4 Abs. 2 und 41 EStG). Mit welchen technologischen Systemen diese zu erfüllen sind, lässt sich den Gesetzen nicht entnehmen.
1. Datenverarbeitungssysteme
Da wären zunächst die Datenverarbeitungssysteme zu nennen. Dazu gehört die in den Unternehmen der Steuerpflichtigen zur elektronischen Datenverarbeitung eingesetzte Hard- und Software. Beispiele hierfür sind: Finanzbuchführungssysteme, Kassensysteme, Warenwirtschaftssysteme, Faktura-Lösungen, Online-Kassenbuch-Lösungen.
Dabei ist ohne Bedeutung, ob es sich um Haupt-, Vor- oder Nebensysteme handelt. In den GoBD wird der Begriff „Kassensysteme“ verwendet und nicht der Begriff „elektronische Aufzeichnungssysteme“. Obwohl Letztere auch zu den Datenverarbeitungssystemen gehören.
2. Elektronische Aufzeichnungssysteme
Da der Begriff „elektronische Aufzeichnungssysteme“ erstmalig in § 146 Abs. 1 Satz 4 AO verwendet wird, findet sich im dortigen AEAO zu § 146 auch eine Definition dieser Begrifflichkeit. Danach ist ein elektronisches Aufzeichnungssystem die zur elektronischen Datenverarbeitung eingesetzte Hardware und Software, die elektronische Aufzeichnungen zur Dokumentation von Geschäftsvorfällen und somit Grundaufzeichnungen erstellt.
Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass sich die Liste der elektronischen Aufzeichnungssysteme, die zusätzlich die besonderen Anforderungen des § 146a AO erfüllen müssen (Pflicht zur Aufzeichnung anderer Vorgänge, Schutz durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung), aus § 1 KassenSichV ergibt.
Nach der vorgenannten Definition muss somit zu den funktionalen Eigenschaften eines elektronischen Aufzeichnungssystems auch die Möglichkeit gehören, Grundaufzeichnungen zu erstellen, d. h. einen Geschäftsvorfall so aufzuzeichnen, dass er sich in die Einzelpositionen aufgliedern lässt (= gesetzliche Einzelaufzeichnungspflicht, § 146 Abs. 1 Satz 1 AO, sowie §§ 14, 22 UStG, §§ 32, 33 UStDV). Somit muss ein entsprechendes System in der Lage sein, zeitnah, d. h. möglichst unmittelbar zu der Entstehung des jeweiligen Geschäftsvorfalls, folgende Positionen (Grundaufzeichnungen) zu erfassen:
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der verkaufte, eindeutig bezeichnete Artikel,
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der endgültige Einzelverkaufspreis,
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der dazugehörige Umsatzsteuersatz und Umsatzsteuerbetrag,
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vereinbarte Preisminderungen,
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die Zahlungsart,
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das Datum und
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der Zeitpunkt des Umsatzes sowie die verkaufte Menge bzw. Anzahl.
Hierbei handelt es sich um die Mindestaufzeichnungspflichten zur Erfüllung der gesetzlichen Einzelaufzeichnungspflicht. Nur wenn diese Positionen technisch aufgezeichnet werden können, handelt es sich um ein elektronisches Aufzeichnungssystem.
3. Elektronische Aufzeichnungssysteme i. S. des § 146a AO
Elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen i. S. des §146a Abs. 1 Satz 1 AO i. V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1 KassenSichV müssen jetzt noch weitere Kriterien erfüllen. Diese ergeben sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut, sondern aus dem AEAO zu § 146a. Dort heißt es: „Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 KassenSichV genannten „elektronischen oder computergestützten Kassensysteme oder Registrierkassen“ sind für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen und deren Abrechnung spezialisierte elektronische Aufzeichnungssysteme, die „Kassenfunktion“ haben.“
Zu den in bereits in Abschnitt IV.2 genannten Voraussetzungen kommen nun noch folgende Voraussetzungen hinzu:
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für den Verkauf von Waren oder
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die Erbringung von Dienstleistungen und
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auf deren Abrechnung spezialisiert und
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mit Kassenfunktion.
Die Voraussetzung „Kassenfunktion“ wird von elektronischen Aufzeichnungssystemen erfüllt, wenn diese der Erfassung und Abwicklung von zumindest teilweise baren Zahlungsvorgängen dienen können. Aber woran erkennt man bei einem elektronischen Aufzeichnungssystem, ob es auf den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen und deren Abrechnung spezialisiert ist?
M. E. lassen sich solche elektronischen Aufzeichnungssysteme an folgenden Merkmalen erkennen:
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Das Datenverarbeitungssystem ist in der Lage, folgende Geschäftsvorfälle unter Beachtung der Einzelaufzeichnungspflichten (siehe Abschnitt IV.2) vollständig aufzuzeichnen:
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Eingangs-/Ausgangsumsätze,
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nachträgliche Stornierungen eines Umsatzes,
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Trinkgelder (Unternehmer/Arbeitnehmer),
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Gutscheine (Ausgabe/Einlösung),
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Privatentnahmen/Privateinlagen,
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Wechselgeld-Einlage,
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Lohnzahlungen aus der Kasse.
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Das Datenverarbeitungssystem ist in der Lage, auch sonstige Vorgänge (Trainingsbuchungen, Sofort-Stornierungen eines unmittelbar zuvor erfassten Vorgangs, Belegabbrüche, erstellte Angebote, nicht geschlossene Geschäftsvorfälle wie z. B. Bestellungen) aufzuzeichnen.
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Das Datenverarbeitungssystem ist in der Lage, über vorgenannte Geschäftsvorfälle und andere Vorgänge einen ordnungsmäßigen Beleg (siehe § 146a Abs. 2 AO i. V. mit § 6 KassenSichV) auszudrucken bzw. elektronisch zur Verfügung zu stellen.
Nur dann, wenn die vorgenannten Punkte und zusätzlich die Kassenfunktion erfüllt werden, handelt es sich m. E. um ein elektronisches Aufzeichnungssystem, das – zu Recht – mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung auszustatten wäre und dann auch der Belegausgabepflicht (§ 146a Abs. 2 AO) und der Mitteilungspflicht (§ 146a Abs. 4 AO) unterliegt.
FAZIT
Elektronische Kassenbücher sind Datenverarbeitungssysteme. Sie sind keine elektronischen Aufzeichnungssysteme, die Grundaufzeichnungen nach dem Grundsatz der Einzelaufzeichnungspflicht ermöglichen. Auch sind sie keine auf den Verkauf von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen und deren Abrechnung spezialisierte elektronische Aufzeichnungssysteme. Aus vorgenannten Gründen muss auch nicht mehr die Kassenfunktion geprüft werden.
Das Dilemma um die elektronischen Kassenbücher zeigt, wie wichtig klare Definitionen und Vorgaben sind. Es wäre an der Zeit, die von den Finanzbehörden veröffentlichten Verwaltungsanweisungen einmal zu überarbeiten und den neuen Gegebenheiten anzupassen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass einheitliche Begrifflichkeiten genutzt werden.
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Dies ist eine Kurzfassung des Beitrages aus BBK 5/2025
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