Perspektiven einer mittelständischen Kanzlei

Automatisierung der Buchführung: Digitale Prozesse in der Zusammenarbeit mit Mandanten

Zwei ineinandergreifende Zahnräder aus Metall auf grauem Hintergrund. Bild: @Andranik Hakobyan, Getty Images via canva.com

Ein Beitrag von Sebastian Wieland und Klara Breyer
(erschienen in der beck.digitax Sonderausgabe »Digitalisierung der mittelständischen Steuerberatung« 2024)


Auch kleine und mittelständische Unternehmen haben heutzutage oft hohe Ansprüche an ihre Buchhaltung und erwarten zeitnahe, vollständige und verlässliche Auswertungen. Das Team von Appelt & Wieland hat einige Digitalisierungs- und Automatisierungsschritte unter der Verwendung von DATEV sowie externen Tools hierzu aus der täglichen Arbeit zusammengetragen, um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Steuerkanzlei zu optimieren.

 

I. Einleitung

Wir beschreiben in der folgenden Ausführung den Buchhaltungsprozess kleiner bis mittelständischer Unternehmen, die ihre Buchhaltung an Steuerkanzleien auslagern.

Für unsere Darstellung wird angenommen, dass mit den Softwarelösungen der DATEV gearbeitet wird. Diese Annahme ist jedoch nicht zwingend, da die im weiteren Verlauf des Beitrags beschriebenen externen Tools auch mit anderen Buchhaltungslösungen kompatibel sind. Programme wie Agenda, Simba oder Ähnliche bieten in der Regel vergleichbare Funktionen wie die Rechnungswesen-Lösungen von DATEV und ermöglichen ebenfalls eine effiziente und automatisierte Buchhaltung.

Des Weiteren wird nicht auf Unterschiede in der Bearbeitung von Bilanzierern oder Einnahmen-Überschuss Rechnern eingegangen, da die angesprochenen Funktionen bei beiden Gewinnermittlungsarten Vorteile bieten können.

II. Optimierung der Belegsammlung und -kanalisierung in digitalen Systemen

Einer der wichtigsten Punkte in einer digital aufgestellten Buchhaltung ist die Frage nach der Kanalisierung der Unterlagen und Belege. In der Papierwelt war dieser Aspekt noch relativ einfach: Es gab, mit dem papiergebundenen Posteingang, nur einen einzigen Weg, wie Belege in das Unternehmen und dann weiter zur Steuerkanzlei gelangten.

Heutzutage erhält man Belege per E-Mail, per Link zum Download, über ein Portal, über eine App, an der Tankstellenkasse oder eben auch noch postalisch in Papier. Diese vielfältigen Zugangsmöglichkeiten strukturiert zu organisieren, erfordert kontinuierliche Anpassungen.

Per E-Mail eingehende Belege sollten zentral in einem Rechnungspostfach gesammelt werden. Von hier aus können die Belege dann durch die Nutzung von DATEV Upload Mail entweder händisch oder durch den Einsatz von Regeln im E-Mail-Postfach automatisiert weitergeleitet und damit für die Buchführung übergeben werden.

Besonders viel freiwerdende Zeit und Ressourcen können auch Tools schaffen, die einem beim Belegsammeln helfen. Tools wie GetMyInvoices und Invoicefetcher sparen Zeit, indem sie automatisiert Portale (wie zB von Telekommunikationsdienstleistern) nach neuen Belegen durchsuchen und diese per Schnittstelle an DATEV Unternehmen online übergeben.

Eingehende Papierbelege müssen mit einer Scanlösung digitalisiert werden. Hier sollte im Idealfall gleich auch immer der Lieferant angesprochen werden, ob eine alternative Belegbereitstellung möglich ist. Bei Kassenbelegen empfiehlt es sich, statt einem späteren Scan auch direkt ein scharfes Foto zu machen und es weiterzuleiten.

III. Daten über Schnittstellen einspielen

Auch der Einsatz von Schnittstellen in der Buchhaltung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die bevorstehende Einführung der elektronischen Rechnung, kurz E-Rechnung, wird diese Entwicklung weiter beschleunigen. Schnittstellen ermöglichen es, dass Ausgangsrechnungen, die in einem externen ERP-System oder einem spezialisierten Rechnungsschreibungssystem erstellt wurden, direkt an das Buchhaltungssystem der Steuerkanzlei übertragen werden können.

Durch diese technische Verknüpfung ist es möglich, Buchungen für eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen voll oder teilautomatisiert vorzunehmen. Diese Automatisierung reduziert nicht nur den manuellen Aufwand erheblich, sondern erhöht auch die Genauigkeit und Geschwindigkeit der Buchhaltungsprozesse. So können Unternehmen sicherstellen, dass ihre finanziellen Transaktionen zeitnah und korrekt verbucht werden, was zu einer effizienteren und transparenteren Finanzverwaltung führt.

 

IV. Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen

Auch bei einer digitalisierten und automatisierten Buchführung bleiben einige unvermeidbare Tätigkeiten. Was in Zeiten von Pendelordnern und Sortierung anhand des Kontoauszugs selbstverständlich war, fällt auch jetzt leider nicht komplett weg: die Vollständigkeitsprüfung.

Um einer flüssigen Bearbeitung durch die Steuerkanzlei nicht im Weg zu stehen, sollte das Unternehmen bereits im laufenden Monat regelmäßig überprüfen, ob alle Belege vorhanden und bereitgestellt/hochgeladen sind. Dies ist bspw. über die Anwendung DATEV Bank online möglich. Alternativ können hier auch andere Buchhaltungslösungen wie Lexoffice, BuchhaltungsButler oder sevDesk unterstützend eingesetzt werden, um die Vollständigkeit sicherstellen zu können.

Um diese Anwendungen als möglichst effiziente To-Do Liste abzuarbeiten, sind eine sinnvolle Einrichtung und Pflege wichtig. Bei Einrichtung und der künftigen Bearbeitung können für Sachverhalte, die keiner Belege bedürfen oder deren Belege zuverlässig über eine Schnittstelle eingespielt werden, Regeln hinterlegt werden.

Regeln können im Fall von DATEV Bank online bewirken, dass die Zahlung automatisch auf „geprüft“ gesetzt wird. Alle Zahlungen, die nicht automatisch als geprüft markiert wurden, werden dann im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung gesichtet. Bereits hochgeladene und passende Belege werden durch die KI den Transaktionen zugeordnet und können bei unklarer Erkennung auch manuell an die Zahlung angefügt werden. Fehlende Belege werden ergänzt oder neue Regeln angelegt. Ziel ist es, dass vor Bearbeitung durch die Steuerkanzlei keine ungeprüften Transaktionen im entsprechenden Zeitraum mehr vorhanden sind. Dies entzerrt die Bearbeitung im Unternehmen, so dass zeitnah auffällt, was fehlt, und es beschleunigt die Bearbeitung in der Kanzlei, da Rückfragen zu fehlenden Unterlagen entfallen.

Hinterlegte Regeln für Banktransaktionen, aber auch die Nutzung der KI bei der Zuordnung von Belegen bzw. der Markierung als beleglose Transaktion tragen dazu bei, dass das Unternehmen auch bei umfangreichen Buchhaltungen schnell erkennen kann, was noch fehlt. Der Vorteil eines externen Tools wie des BuchhaltungsButlers ist, dass diese Funktionen auch bei Banken oder Kreditkarten nutzbar sind, die sich nicht in DATEV anbinden lassen, da der BuchhaltungsButler einen einfachen CSV-Import unterstützt.

V. Belegfreigabe

Auch bei kleineren Unternehmen spielt die Belegfreigabe eine zusehends wichtigere Rolle. Im Rahmen bestehender Budgets oder bei Überschreiten von Betragsgrenzen ist oft die Freigabe eines oder mehrerer Vorgesetzter notwendig. Ohne ERP-System oder den Einsatz von Tools zur Belegfreigabe waren diese Prozesse für kleine Unternehmen in der Vergangenheit eine große Herausforderung.

DATEV selbst bietet hierfür eine zu Unternehmen online ergänzende Funktion zur Belegfreigabe, die sich gut für einfache und strukturierte Freigabeprozesse eignet.

Für komplexere, mehrstufige Freigabeprozesse, die zusätzliche Details und Besonderheiten berücksichtigen müssen, kann der Einsatz externer Tools sinnvoll sein. Lösungen wie Flowwer oder Candis bieten erweiterte Möglichkeiten, die den spezifischen Anforderungen solcher Prozesse gerecht werden. Diese Tools helfen nicht nur, den Überblick zu bewahren, sondern auch die Integrität des Buchhaltungsprozesses zu sichern, indem sie sicherstellen, dass alle erforderlichen Genehmigungen vorliegen, bevor die Freigabe erfolgt.

VI. Erstellen der Buchführung

Klassisch werden alle Buchungsdaten nach Bereitstellung des Mandanten erst durch die Steuerkanzlei erfasst. Dieser Prozess kann auch durch eine Vorkontierung des Mandanten unterstützt werden. Neben Schnittstellen, auf die ein vorheriger Abschnitt bereits eingegangen ist, kann der Mandant auch erst in der „DATEV Welt“ in die Kontierung einbezogen werden, bspw. durch die Nutzung der Bearbeitungsform „erweitert“ in DATEV Unternehmen online.

Sollten die Buchungsdaten nicht vollständig über eine Schnittstelle erfasst werden, kann die manuelle Verbuchung in der Steuerkanzlei auch durch KI-Lösungen wie den DATEV Automatisierungsservice Rechnungen (ASR) oder ein externes Tool wie z.B. Buchhalter.pro unterstützt werden.

Beide Lösungen lernen anhand bestehender Buchungsdatensätze und erzeugen auf dieser Basis Buchungsvorschläge für die neuen Geschäftsvorfälle. Bei Verarbeitung der Buchungsvorschläge ist lediglich eine Plausibilitätsprüfung durch den Sachbearbeiter notwendig. Je regelmäßiger und typischer der Sachverhalt, desto besser wird die Vorbelegung. Der ASR unterscheidet bei der Erzeugung der Buchungsvorschläge zwischen sicheren, unsicheren und nicht auslesbaren Informationen. Nach wenigen Testmonaten wächst das Vertrauen, dass die Vorbelegung auch bei diesem Unternehmen funktioniert, und die Bearbeitung kann beschleunigt werden, indem sichere, aber auch unsichere Buchungsvorschläge automatisch bestätigt werden und die Plausibilitätsprüfung nur noch im Rahmen der Abstimmung und Qualitätssicherung erfolgt.

Einen auch bei digitalen und automatisierten Buchhaltungen nicht wegfallenden Mehraufwand können Kreditkarten, Reisekostenabrechnungen und Auslagenerstattungen darstellen. Diese Faktoren sind oft eine Digitalisierungsbremse, wenn keine geeignete Lösung eingesetzt wird.

In diesem Bereich haben in den vergangenen Jahren einige Anbieter gute Lösungen entwickelt und auf den Markt gebracht. Nennenswerte Beispiele sind die Lösungen von Pleo, Pliant und Circular. Auslagen und Belege von Kreditkartentransaktionen können bequem über das Handy fotografiert und direkt der Kreditkartentransaktion zugeordnet werden. Es ist auch möglich, bereits eine vereinfachte Vorkontierung/Notiz durch den Mitarbeiter vornehmen zu lassen, so dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachvollzogen werden muss, um was es sich bei dem Beleg aus dem Ausland handelt.

VII. Automatisierung der Bankbuchung durch KI, Lerndateien und wiederkehrende Buchungen

Das Bereitstellen der elektronischen Kontoumsätze der Bank an das Buchhaltungsprogramm ist seit Jahren Standard in vielen Kanzleien und unterstützt die schnellere und saubere Bearbeitung durch gesparte Tipparbeit sowie durch automatische Suche nach offenen Posten. Automatisiert werden kann die Verbuchung der Bank durch das Anlegen von Lerndateien, die ähnlich wie die bereits genannten Regeln aufgrund bestimmter Kriterien einen vollständigen Buchungssatz vorschlagen. Den größten Effekt haben der automatische OPOS-Abgleich und Lerndateien allerdings nur, wenn die Buchführung sauber angelegt und laufend gepflegt wird. Dann können als sicher erkannte, aber auch als unsicher erkannte Buchungsvorschläge automatisch bestätigt werden und müssen nicht einzeln manuell verbucht werden. In der Pilotphase der DATEV steckt aktuell auch ein Automatisierungsservice Bank (ASB), der die Anlage und Pflege von Lerndateien künftig überflüssig machen soll.

Sollten regelmäßige wiederkehrende Zahlungen nicht im richtigen Monat gezahlt werden, lässt sich statt einer Lerndatei auch eine wiederkehrende Buchung zur periodengerechten Abgrenzung erstellen. Somit ist bspw. der Mietaufwand in jedem Monat nur einmal erfasst, obwohl die Zahlungen möglicherweise in unregelmäßigem Abstand erfolgen. Auch die betriebswirtschaftliche Verteilung von Aufwand für mehrere Monate lässt sich über wiederkehrende Buchungen leicht automatisieren.

VIII. Qualitätssicherung und digitale Auswertungen

Die abschließenden Schritte jeder Buchungsperiode in der Steuerkanzlei beinhalten im Regelfall die Qualitätssicherung durch Abstimmung der Konten. Um die Abstimmung möglichst produktiv zu gestalten, empfiehlt es sich, die Auszifferfunktionen mit einem Kriterium zum automatischen Ausgleich zu nutzen. Beispielsweise beim Lohn empfiehlt sich das Belegfeld, welches im Buchungsbeleg direkt vorbelegt werden kann, aber auch der Buchungstext kann bei Krankenkassen Sinn machen, wenn diese im Buchungsbeleg einzeln aufgeschlüsselt werden. Bei der Kontendurchsicht können diese Konten direkt übersprungen werden, wenn alle Buchungen ausgeziffert sind. Dadurch verringert sich manueller Abstimmaufwand und Unstimmigkeiten fallen schneller auf und können geklärt werden.

Zu guter Letzt gehört zu einer digitalen Zusammenarbeit auch der digitale Austausch von Auswertungen und die Möglichkeit der einfachen Abstimmung.

Daher bieten viele Buchhaltungslösungen eigene Auswertungen an. Im Falle der Nutzung von DATEV Unternehmen online können die gängigsten Auswertungen, wie zB eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA), Summen- und Saldenlisten (SuSa), Kontenblätter oder OPOS-Listen, bereitgestellt werden. Das Unternehmen kann dadurch selbst alle Zahlen, von der Bilanzposition über das Konto und den Buchungssatz bis hin zum Belegbild, nachvollziehen und ggf. Anpassungen für eine unternehmensspezifischere Auswertung mitteilen.

FAZIT

Der Einsatz von Softwarelösungen der DATEV sowie externer Tools ermöglicht eine effiziente und automatisierte Verarbeitung von Buchhaltungsdaten, unabhängig von der spezifischen Gewinnermittlungsart.

Dadurch ist nicht nur eine Reduzierung des manuellen Aufwands möglich, sondern auch eine Verbesserung der Genauigkeit und Transparenz der finanziellen Berichterstattung.

Wichtig dabei ist: Die eingesetzten Systeme und eingesetzten Tools müssen regelmäßig überwacht und adjustiert werden. Je höher der Automatisierungsgrad, umso gefährlicher sind systematische Fehler. Auch bei Buchhaltungen mit sehr hohem Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad kann also nicht die Rede davon sein, dass sich „auf Knopfdruck“ einfach alles von selbst erledigt.

Gut aufgestellte Prozesse ermöglichen der Steuerkanzlei, umfangreiche Buchhaltungen mit moderatem Zeiteinsatz bearbeiten zu können. Die Unternehmen können sich auf Wachstum und die strategische Planung konzentrieren.

Die gesetzlichen Verpflichtungen zur E-Rechnung ab 2025 werden die Schritte in die vollautomatisierte Buchhaltung weiter beschleunigen. Das wünschenswerte Szenario für den Unternehmer, dass mit vertretbarem Aufwand präzise, tagesaktuelle Zahlen zur Verfügung stehen, ist somit keine ferne Utopie mehr.

 

AUTOREN

Sebastian Wieland

Sebastian Wieland

Partner, Steuerberater bei Appelt & Wieland
Klara Breyer

Klara Breyer

Steuerberaterin bei Appelt & Wieland

______________________

NEUGIERIG GEWORDEN? 👉 Mehr zur beck.digitax auf tax&bytes!

→ ZUM PROFIL

TTC24 RECAP 1920X1080px
Tax Technology Conference 2024: Breakouts

Wie der VW Konzern sein Tax CMS operationalisiert hat

Rückblick auf die Breakout Session der Tax Technology Conference 2024 "Operationalisierung Tax CMS": Toolgestützt optimiert VW sein Tax Compliance Management, minimiert Risiken und sichert konzernweite Standards.

CSRD Beiträge 1920X1080px
Praxishinweise zum Tagging der ESRS-Berichte

Maschinenlesbarkeit des Nachhaltigkeitsberichts

Im Rahmen der europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung steigen die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich an. Dazu trägt auch die Pflicht bei, ein einheitliches elektronisches Berichtsformat anzuwenden.

WPK KI NEWS 1920X1080px
Neues von der Wirtschaftsprüferkammer

Worauf Wirtschaftsprüfer beim Einsatz von KI achten müssen

Der neue WPK-Leitfaden zeigt, worauf Wirtschaftsprüfer beim Einsatz von KI achten müssen. Verantwortung, Verlässlichkeit und Berufspflichten stehen dabei im Fokus.