Steuerberatung fehlen Kapazitäten und noch immer das fachliche Wissen

Kryptowährungen: Und der Steuermarkt ist überfordert

Mehrere Münzen mit den Symbolen von Kryptowährungen sollen sinnbildlich die einzelnen digitalen Währungen darstellen. Bild: ©Yaroslav Danylchenko via Canva.com

Die Nachfrage nach steuerlichem Know-how für Einkünfte aus Krypto-Assets ist drastisch gestiegen. Doch in der Steuerberatung fehlen Kapazitäten und noch immer das fachliche Wissen, um den Bedarf zu decken. Dabei sollte die Krypto-Beratung nicht mehr nur Spielfeld für Spezialisten sein.

„Wir haben eine große arglose Masse, die denkt, dass sie das schon hinkriegt. Doch die Steuerdeklarationen sind katastrophal. Es fehlt am breiten Fachwissen.“

Für Matthias Steger ist die derzeitige Situation nicht hinnehmbar. Der Handel mit Kryptowerten ist zwar bereits im Mainstream angekommen – doch laut Steger noch lange nicht bei den meisten Beratern. „Wir haben eine große arglose Masse, die denkt, dass sie das schon hinkriegt. Doch die Steuerdeklarationen sind katastrophal. Es fehlt am breiten Fachwissen“, lautet sein vernichtendes Urteil.  Steger ist Vizepräsident des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg e.V. und geschäftsführender Gesellschafter der Steuerberatungsgesellschaft Matthias Steger Consulting.  Er beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit der Blockchain-Technologie, ist in diesem Bereich seit 2018 als Dozent der Steuerberaterverbände tätig und hat sich vor allem auf die steuerliche Beratung von Krypto-Mandanten spezialisiert.

Tatsächlich hat sich der Markt rund um digitale Assets in den vergangenen Jahren rasant gewandelt. Längst sind es nicht mehr nur technikaffine Experten, die in Bitcoin, Ether und Co. investieren. Auch Einsteiger haben den Markt mit den digitalen Währungen als Anlagegeschäft für sich entdeckt. Laut einer Statista-Umfrage aus 2023 nutzen beziehungsweise besitzen rund 13 Prozent der in Deutschland befragten Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren Kryptowährungen. Auf die amtliche Einwohnerzahl Deutschlands hochgerechnet, entspricht dies mehr als einer Million Menschen – vier Prozent mehr als noch zwei Jahre zuvor. Den Einstieg in das Krypto-Trading erleichtern Online-Plattformen wie beispielsweise Coinbase oder Bitpanda.

Neben klassischen Kauf- und Verkaufsvorgängen von Kryptowährungen entwickeln sich außerdem immer neue Geschäftsmodelle, mit denen Investoren ihre digitalen Assets gewinnbringend einsetzen können. Hierzu gehört beispielsweise das Staking, ein Prozess, bei dem Kryptowährungen, die auf dem Proof-of-Stake-Mechanimus beruhen, zum Erzeugen neuer Blöcke innerhalb der Blockchain eingesetzt werden. Krypto-Halter, die hierfür ihre Coins sperren und sie zum Validieren von Netzwerktransaktionen zur Verfügung stellen, können durch diese Methode Belohnungen, sogenannte Rewards, erhalten. Das Staking ist damit eine Möglichkeit, durch das Hinterlegen bestimmter Kryptowährungen Gewinne zu erzielen.

Und während sich in den Anfangsjahren des aufkommenden Kryptomarktes kaum jemand Gedanken über mögliche steuerliche Konsequenzen machte, stellen sich inzwischen die meisten Akteure die Frage: „Erziele ich aus der Teilnahme an Transaktionen innerhalb der Blockchain steuerpflichtige Einnahmen?“ Denn die Erkenntnis, dass die Geschäftsvorfälle der Kryptowelt steuerlich relevant sein können, ist ebenfalls im Mainstream angekommen. Für die Steuerberater hat sich damit das Tor zu einer neuen Beratungswelt eröffnet, die nicht nur komplex, sondern aufgrund hoher Nachfrage derzeit für Fachkräfte kaum zu bedienen ist.

Ohne Firmenschild und Google-Ranking
„Ich habe alles dafür getan, vorerst im Suchmaschinenranking möglichst weit hinten aufzutauchen.“

So ist beispielsweise die Steuerberatungsgesellschaft von Matthias Steger bereits bis Ende 2025 ausgebucht. „Wir können derzeit keine neuen Mandanten mehr annehmen“, sagt er. Daher habe er zu einer eher ungewöhnlichen Methode gegriffen: „Ich habe alles dafür getan, vorerst im Suchmaschinenranking möglichst weit hinten aufzutauchen.“ Neben privaten und gewerblichen Anlegern berät Steger mit seiner Kanzlei auch andere Steuerberater und bildet sie im Umgang mit der Deklaration von Kryptowährungen aus. Auch bei diesen beobachtet der Experte eine in Rekordzeit eintretende Auslastung, teilweise bereits innerhalb von drei Monaten.

Dass die aktuelle Nachfrage die Kapazitäten der Fachkräfte übersteigt, bestätigt auch Afra Stöhr, Partnerin bei der Berliner Steuerkanzlei Stöhr Wagner. Ihrer Einschätzung nach hat die Krypto-Steuerberatung großes Potenzial, weshalb sie sich vor zwei Jahren mit einer auf diesen Bereich spezialisierten Einheit selbständig gemacht hat. Ähnlich wie Matthias Steger verzichtet sie bewusst auf offensives Marketing: „Ich habe beispielsweise keine Website, die Anfragen kommen von allein und es sind momentan einfach zu viele.“ Sogar das Firmenschild habe die Steuerberaterin von ihrer Tür abgenommen.

Ein Selbstläufer ist die steuerliche Beratung zu Krypto-Währungen und digitalen Assets trotzdem nicht. Denn gerade, weil sich die meisten Beraterinnen und Berater noch eher stiefmütterlich mit der Materie auseinandersetzen, müssen Experten wie Steger und Stöhr auf oben erwähnte Maßnahmen zurückgreifen und Mandate sogar ablehnen.

Und wer als Berater in Sachen Krypto ein ordentliches Stück vom Kuchen abhaben will, sollte in der Blockchain-Szene gut vernetzt und präsent sein. So sieht es jedenfalls der Steuerberater und Rechtsanwalt Philipp Hornung. „Krypto boomt“, sagt Hornung, KPMG-Manager und Experte für das Thema Krypto und Steuern, der sich in diesem Artikel ausschließlich in seiner Funktion als selbstständiger Berater (,cryptotax.lawyer‘) äußert. Um für Mandanten sichtbar zu werden und sich einen Namen in diesem Bereich zu machen, sieht er beispielsweise im Online-Marketing ein unverzichtbares Vehikel. Trotzdem verzichtet auch er bewusst auf einen Internetauftritt mit eigener Website und tritt stattdessen nur mit einem LinkedIn-Profil in Erscheinung: „Hierüber erhalte ich regelmäßig und vor allem genügend Anfragen.“ Er habe selbst erlebt, dass eine Kanzlei zeitweise bis zu 800 Anfragen in nur einem Monat erhielt.

„Viele Steuerberater wissen gar nicht, dass ihre Mandanten mit Kryptowährungen handeln“

Welche Personen verbergen sich hinter den Beratungsersuchen? Im Rahmen einer Untersuchung erstellte das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE im Jahr 2021 das Profil eines klassischen Krypto-Anlegers. Danach seien private Krypto-Investoren überwiegend männlich, mit einem vergleichsweise hohen Einkommen sowie einer gewissen Affinität für Technik, würden sich häufiger ins Online-Banking einloggen als andere Anleger und zudem häufiger und mehr Wertpapiere handeln. Das Ergebnis basiert auf einer Stichprobe von rund 100.000 Investorenprofilen.

Zudem zeigen Daten aus einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2022, dass jüngere Generationen wie die Generation Z (geboren im Zeitraum von 1995 bis 2012) sowie die Millenials (1980 bis 1994) mehr Krypotwährungen besitzen als die Generation X (1965 bis 1979) und die Generation Babyboomer (1946 bis 1964).

In der Steuerberatungspraxis beobachtet Matthias Steger hingegen, dass sich die Krypto-Mandanten mittlerweile nicht mehr auf bestimmte Merkmale wie Alter oder Geschlecht reduzieren lassen. „Die Bandbreite ist enorm groß. Sie reicht von den 18-Jährigen bis zu den 84-Jährigen, darunter befinden sich auch viele Frauen. Und: Viele Steuerberater wissen gar nicht, dass ihre Mandanten mit Kryptowährungen handeln.“ Eine Feststellung, die Steger Sorge bereitet: „Die Dunkelziffer der Steuerhinterzieher ist extrem hoch.“

„Die Komplexität liegt in der Technik“

Doch nicht alle Krypto-Investoren nehmen die Steuerthematik auf die leichte Schulter. Die Anliegen, mit denen sich die Mandanten an die Steuerberater wenden, sind vielseitig. „Häufig sind es Standardfragen, die inzwischen einfach zu beurteilen sind“, berichtet Marie Rinke, Partnerin bei der Hamburger Wirtschaftskanzlei Möhrle Happ Luther. Hierzu gehört beispielsweise die Frage nach der steuerlichen Behandlung des An- und Verkaufes von Kryptowährungen oder der Erträge aus Staking im Rahmen der privaten Vermögenssphäre.

„Das kann inzwischen eigentlich jeder Steuerberater beantworten“, meint Rinke. Die Krypto-Expertin beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit der Materie, verantwortete maßgeblich den Aufbau einer internen Blockchain-Arbeitsgruppe von Möhrle Happ Luther und berät überwiegend Krypto-Mandate – rund 80 Prozent ihres Portfolios machen diese mittlerweile aus.

„Es wird aber relativ schnell anspruchsvoll“, fährt sie fort, „beispielsweise, wenn es um das Verstehen und Auswerten der Krypto-Steuer-Reports geht.“ Ihrer Erfahrung nach laufe hierbei noch vieles falsch, denn die Krypto-Reports lassen sich nicht wie eine klassische Steuerbescheinigung für Kapitalerträge verwenden. Auch Matthias Steger sieht darin eine große Herausforderung: „14 Jahre nach dem Beginn von Bitcoin ist das Reporting immer noch extrem schlecht. Die Komplexität liegt in der Technik.“

Komplex werde es zudem auch immer dann, wenn es um Krypto-Transaktionen im Betriebsvermögen geht, wie Rinke berichtet: „Das ist eher was für Spezialisten. Bei den unternehmerischen Sachverhalten sind vor allem die Dokumentation der zahlreichen Trades sowie das Einspielen der Daten in die Buchhaltungssoftware eine schwierige Angelegenheit.“

Vom ,Wilden Westen‘ zur etablierten Beratungspraxis
„Es gibt zwischen 10 und 15 Grundfragen – wer diese beantworten kann, kommt damit durch den Großteil der Fälle.“

Auch sich ständig entwickelnde, neuartige Geschäftsmodelle der Blockchain-Technologie stellen die Berater vor Herausforderungen. „Da gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt. Irgendjemand macht ja immer etwas Neues“, kommentiert cryptotax.lawyer Hornung das aktuelle Geschehen. Während sich Technologie und Use Cases rasant weiterentwickeln, wächst für die Beteiligten der Bedarf nach Rechtssicherheit. „Das BMF-Schreiben aus 2022 deckt zwar gewisse Standardfälle ab, hinkt aber zwei bis drei Jahre hinter den technologischen Entwicklungen hinterher“, sagt Hornung.

Daraus entstehen immer wieder Sonderthemen, bei denen es für die Mandanten und ihre Berater stets auf die grundlegende Kernfrage hinausläuft: „Wie gehen wir steuerlich damit um?“ In diesem Bereich habe sich inzwischen ein Nischenmarkt für Experten etabliert, stellt Hornung fest. „Es gibt mittlerweile viele Steuerberater, die nebenbei auch Krypto-Beratung anbieten, aber nur wenige, die sich hierauf spezialisiert und ausreichend Expertise für die komplexen Sonderfälle haben.“

Außerhalb des Nischenmarktes schaffen eine überschaubare Anzahl von BMF-Schreiben und Gerichtsurteilen bedingte Rechtssicherheit und ermöglichen es auch den Generalisten, sich zumindest in Teilbereichen sicher über das Parkett der Krypto-Beratung zu bewegen. „Es gibt zwischen 10 und 15 Grundfragen – wer diese beantworten kann, kommt damit durch den Großteil der Fälle“, ist Matthias Steger überzeugt. Zudem existiere mittlerweile ein gewisses Regelwerk und die Zunahme bei den gerichtlichen Klageverfahren in Krypto-Fällen trage dazu bei, zunehmend einen Rechtsrahmen zu schaffen. „Es ist nicht mehr ‚Wild West‘ wie noch vor einigen Jahren“, urteilt Steger, „wir haben eine etablierte Beratungspraxis.“

„Wir brauchen einen bundesweiten Krypto-Fachberater“

Steuerberatern, die ihren Mandanten zukünftig in Krypto-Angelegenheiten kompetent zur Seite stehen wollen, rät der Experte dringend, sich intensiv weiterzubilden. Den aktuellen Ausbildungsstand in diesem Bereich beziffert er mit 5.000 Steuerberatern und Fachkräften, die sich über die Bundessteuerberaterkammer und die regionalen Steuerberaterverbände weitergebildet haben. Zum Vergleich: Am 1. Januar 2024 zählten die Steuerberaterkammern in Deutschland 105.896 Mitglieder, davon 88.969 Steuerberaterinnen und Steuerberater. Mit Blick auf die Anzahl der Krypto-Anleger gibt es nach Ansicht von Matthias Steger noch zu viele Fachkräfte, die sich nicht auf das neue Beratungsfeld einlassen.

„Man kann es lernen“, sagt er in diesem Zusammenhang und verweist auf das große Fortbildungsangebot verschiedener Anbieter. Hierzu zählen unter anderem die von ihm gegründete Krypto Steuerakademie mit unterschiedlichen Online-Kursen, die DATEV-Online-Seminare für Grundlagen- und Aufbauwissen oder der Zertifizierungslehrgang „Kryptowerte und Steuern WIRE“ des Anbieters Fachseminare von Fürstenberg.

Zukünftig werden die Qualifikationsmöglichkeiten unter Umständen noch steigen: „Der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg plant ab dem nächsten Jahr das Angebot eines zertifizierten Krypto-Steuerberaters“, verrät Matthias Steger. „Ich plädiere sogar dafür, dass der Deutsche Steuerberaterverband einen anerkannten Fachberater einführt.“ Ob es dazu kommt und wann es so weit ist, bleibt offen. Die Entwicklungen zeigen jedoch: Die Krypto-Steuerberatung ist ein breiter Zukunftsmarkt.

Krypto: Fortbildungsmöglichkeiten für Steuerexperten
  • DATEV
    Einsteigerlehrgang: Blockchain und Kryptowährungen – Grundlagen und steuerrechtliche Informationen für die Praxis
    Aufbaulehrgang: Blockchain und Kryptowährungen – Aufbauwissen: Prozesse gestalten und Unternehmensmandate beurteilen
    Methodik: Online-Seminar, Dauer: 0,5 Tage
  • Krypto Steuerakademie
    Masterclass: Die Besteuerung von Kryptowährungen für Steuerberater und -fachkräfte
    Methodik: Online-Seminar, Dauer: k.A.
  • Fachseminare von Fürstenberg
    Zertifizierter Berater für Kryptowerte und Steuern (WIRE)
    Methodik: Online-Seminar
    Dauer: 1 Monat, 3 Unterrichtstage
  • Regionale Steuerberaterverbände
    diverse Angebote
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