Die Kunst des Machbaren in der digitalen Steuerwelt
"Es geht nicht darum, technikverliebt zu sein und „auf Biegen und Brechen“ einen steuerlichen Anwendungsbereich für eine neue Technologie zu finden."
Seit nunmehr über 20 Jahren bewege ich mich täglich in der Schnittstelle zwischen Steuerrecht und Digitalisierung. Als ich um die Jahrtausendwende an der TU Chemnitz BWL studierte, wunderten sich viele über die Wahl meiner Vertiefungsfächer: Steuern und Innovationsmanagement. Wie das wohl zusammenpasst?
Was damals Zufall oder Naivität war - ich weiß es nicht mehr so genau - ist heute Standard. Von StB-Kanzleien oder -Gesellschaften wird Digitalisierung schlichtweg erwartet. Da ist es nicht von Bedeutung, dass das Steuerrecht aus einem ganz anderen, analogen Jahrhundert stammt. Einfach können viele – Steuerberater:innen können kompliziert!!
Viel Kompliziertes…
Also arbeiten wir tagtäglich daran, mit Unternehmen multinationale, automatisierte und in die digitalen Unternehmensabläufe integrierte Lösungen umzusetzen. Die Kompliziertheit ist nahezu unendlich:
- Geschäftsmodelle, für die wirklich fast jeder Paragraf des Umsatzsteuergesetzes relevant ist,
- Lösungen, die die ertragsteuerlichen Aspekte von mehrstöckigen Personengesellschaften berücksichtigen, oder
- Transferpreismonitoring bis hinunter auf Einzelprodukte – in Echtzeit –, um die Finanzbehörden zufriedenzustellen.
Die Kunst des Machbaren in der digitalen Steuerwelt will gut beherrscht werden! Wie oft sorgt das Misstrauen im Besteuerungsverhältnis dafür, dass Angst vor „Bösgläubigkeit“ daran hindert, das Richtige zu tun? Wie oft ist es für Mitarbeiter:innen des Vertriebs unzumutbar, alle relevanten Besteuerungsregeln zu beherrschen, um „tax compliant“ zu sein? Solange das Ganze machbar bleibt, ist es ok. Dort, wo die Grenze des Machbaren überschritten werden muss, um tax compliant zu sein, wird Steuergesetzgebung aber zum klaren Standortnachteil.
Die Lösung liegt in digitalen und digitaltauglichen Steuervorschriften für die digitale Geschäftswelt. Steuerliche Datenflüsse müssen vom Anfang bis Ende gedacht werden. Das darf nicht nur für die Mündung des Datenflusses, also die Übertragung von Daten an Finanzbehörden, gelten. Diese Anforderung beginnt weitestmöglich bei der Anknüpfung der Besteuerungstatbestandsmerkmale an Daten, die im geschäftlichen Alltag anfallen, statt an „analogen Lebenssachverhalten“, die viele Interpretationsspielräume liefern.
Mehr Klarheit und weniger Nebel
Viele Steuerrechtler:innen werden jetzt die Hände wahlweise über dem Kopf zusammenschlagen oder sich vors Gesicht halten und sagen: „Hat er denn noch nie was von Normzwecken und Gesetzesauslegung gehört?“. Und ganz ehrlich: Vielleicht habe ich noch nicht genug davon verstanden. Allerdings muss Steuerrecht anwendbar bleiben. In der heutigen Unternehmensrealität heißt das, es muss digitalisierbar sein. Genau das ist die Schnittstelle und das Spannungsfeld in dem wir uns bewegen.
Ich bin sehr dankbar dafür, jeden Tag mit Mitarbeitenden und Mandanten zu tun haben zu dürfen, die sich mit dem Status Quo nicht zufriedengeben und stattdessen bessere Lösungen suchen. Diese Innovationskultur ist es, worauf ich am meisten stolz bin. Es geht nicht darum, technikverliebt zu sein und „auf Biegen und Brechen“ einen steuerlichen Anwendungsbereich für eine neue Technologie zu finden. Es geht vielmehr darum, sich einerseits im Bereich des steuerrechtlich Gestatteten zu bewegen und somit risikobewusst zu agieren. Andererseits müssen Technologielösungen im unternehmerischen Bereich klar einen Vorteil in den Bereichen Risikominderung, Effizienzsteigerung und Liquiditätsoptimierung erzielen, um wirksam zu sein.
Hierbei mitzuhelfen, ist der Grund, warum ich bei tax&bytes mitwirke. Eine Plattform mit Leben zu füllen, die Experten, Innovatoren, Verlage, Softwareanbieter und viele weitere mehr zusammenbringt, damit ein Kulturwandel in der Steuerwelt stattfindet. Ohne Zutrittsschranken. Weil wir mehr Klarheit und weniger Nebel in der Tax Tech und Digital Tax Community brauchen!
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